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Ähnlich im Einklang mit sich selbst wirkt Katharina Mi-
chel. „Ich modele seit über 30 Jahren,“ blickt die 1,80 gro-
ße Blondine mit den blitzblauen Augen zurück. „Dass ich
seither regelmäßig gebucht werde, liegt an meinem Com-
mercial-Gesicht, bei dem Persönlichkeit mehr zählt als
das Alter.“ Eine weniger gute Auftragslage sei nie ein Pro-
blem gewesen. Denn erst als Make Up- und Haare-Artist,
dannmit einer Agentur für Kinderfotos und seit 2006mit
professionellem Brautstyling nebst passender Acces-
soire-Kollektion BelleJulie habe sie immer ausreichend
verdient und deshalb nie „unter Druck“ gestanden. Aus-
schließlich auf das Modeln zu bauen, kam und kommt
daher für die 48-Jährige genauso wenig in Frage wie zu
Massen-Castings zu gehen oder sich zu Dumping-Prei-
sen anzubiedern. Weil es ihr aber dennoch viel gibt, ein
bis sechs Mal pro Monat vor der Kamera zu stehen und
auf diesem Weg anderen Frauen um die 50 Mut zu ma-
chen, stolz auf sich zu sein, tut sie viel für ihr Gesicht
und ihren Körper – angefangen bei regelmäßigen Yoga-
Stunden über Friseur- und Kosmetikerinnen-Besuche
bis hin zur intensiven Zahnhygiene.
Verglichen damit investiert Jürgen Engel „quasi Null“ in
sein Aussehen – von seiner Mitgliedschaft im Fitness-
studio und Golfclub einmal abgesehen, die er aber auch
ohne Model-Jobs hätte. Gepflegt und so etwas wie ein
„Vorbild“ zu sein, war für den heute 67-Jährigen schon
während seines gesamten Berufslebens in der Mode-
branche selbstverständlich – auch wenn er sich nach sei-
nem Abschluss als Diplom-Betriebswirt entschied, nicht
mehr wie während seines Studiums zu modeln. „Das als
Mann zu machen, galt damals als lächerlich und unseri-
ös,“ erinnert sich der Starnberger, der mit seinen zu-
rückgekämmten grauen Haaren über dem gebräunten
Gesicht dem Schauspieler Sky Dumont ähnelt. Erst
nachdem er 2000 seinen letzten Laden schließen muss-
te, habe er auf der Suche nach Abwechslung und einem
„Zubrot“ wieder Agenturen kontaktiert, wo ihn zwar
niemand mehr gekannt, ihm aber seine Jahrzehnte zu-
rück liegende Erfahrung als Referenz geholfen und den
Wiedereinstieg erleichtert habe. Wenn er seither wieder
von Fotografen ins Visier genommen wird oder kleine
Rollen im „Tatort“ spielt, empfindet Jürgen Engel das
wie einen Jungbrunnen, mit dem er sich „absolut wohl“
fühlt. Einziger Wermutstropfen ist für ihn momentan
die Erkenntnis, dass er nicht der typische Opa sei und so
bei „50 bis 60 Prozent der potenziellen Jobs“ rausfalle.
V
on einem wachsenden Bedarf an Senior
Models, die „nicht perfekt sein müssen,
aber echte graue Haare haben und toll rü-
berkommen sollten“, weiß auch Constanze
Müller zu berichten, Inhaberin der Münchner People &
Casting Agentur Zimt. Vor allem in der Gruppe über 60
hat sie immer gerne viele Vorschläge in petto, wenn Fir-
men vom ADAC bis zur Telekom bei ihr für Werbestre-
cken oder -spots anfragen. Obwohl sie „täglich zig Be-
werbungen“ erhält, drückt sie interessanten Typen, die
sie sieht, gerne ihre Visitenkarte in die Hand. Auch Knut
Schulz bekommt mittlerweile pro Monat rund 300 Be-
werbungen, von denen er sich wegen der „gnadenlosen
Selbstüberschätzung“ nur fünf Prozent genauer an-
schaut und davon wiederum die Hälfte nimmt. Mit der
Entwicklung seiner Agentur ist er zwar zufrieden, hält
das Thema Best Ager in der Branche aber dennoch für
überschätzt. „Leider gilt noch immer die Zehn-Jahres-
Regel“, sagt er. „Das heißt für Produkte wie Kosmetik
wird nicht mit Models aus der Zielgruppe ab 60, sondern
mit deutlich jüngeren geworben. Firmen trauen sich ein-
fach nicht genug. Außerdem fehlt es hierzulande an Rol-
lenvorbildern.“
VIOLETTA KLUG
Katharina Michel ist
ein gefragtes Senior-
Model (Bild oben). Knut
Schulz von der Agentur
„elbmodels“ (Bild
rechts) erhält etwa 300
Bewerbungen im Monat
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