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weil es ja leider die Notwendigkeit gibt, sich weiter mit
Themen wie Ausgrenzung und Antisemitismus zu be-
schäftigen. Das würde ich auch tun, wenn ich nicht be-
kannt wäre, weil das für mich Teil einer Lebensaufgabe
ist, die man in einer Demokratie zu leisten hat. Aber da-
durch, dass ich eine öffentliche Person bin, wird mein
Engagement anders wahrgenommen.
Zurück zum Film: In Ihrer Karriere gab es eine ex-
trem große Bandbreite von Rollen, die am Anfang
eher unterhaltsam waren, die vor
allem in den letzten Jahren aber
mehr Tiefgang und Qualität bekom-
men haben. War das Zufall oder Ab-
sicht?
Auch als ich jung war, hat es beides
gegeben. Aber das, was mehr wahrge-
nommen wurde, war die Comedy. Im
Lauf der Jahre entwickelt man sich
weiter und bekommt gerade im Alter
Möglichkeiten, Geschichten vielleicht
auch vor dem Hintergrund eigener
Erfahrungen noch einmal ganz an-
ders zu erzählen.
Es gibt Schauspielerinnen, die es
mit zunehmendem Alter schwerer
haben. Bei Ihnen scheint das nicht
der Fall zu sein.
Ja. Für mich persönlich ist die Arbeit
kraftvoller, komplexer und intensiver
geworden. Aber man kann nicht ver-
leugnen, dass viele Kolleginnen nicht
in dieser Situation sind.
Wenn Sie zehn Drehbücher an-
geboten bekommen, bei wie vielen
sagen Sie zu?
Circa zwei. Manches hätte ich vor
zehn oder 15 Jahren noch gespielt,
weil es noch Neuland war. Aber ich
möchte weiter und bin bei der Aus-
wahl sehr viel genauer geworden. Da-
bei kommt es aber nicht nur auf das Drehbuch an. Son-
dern auch auf die Regie oder andere Protagonisten, die
mit dabei sind. Gibt es jemanden, mit dem ich sehr gerne
arbeiten möchte, nehme ich auch eine kleinere Rolle an.
Wie jetzt in „Anleitung zum Unglücklichsein“, der
ab 29. November im Kino zu sehen ist?
Den Ausschlag hat das Sachbuch von Paul Watzlawick ge-
geben, das mich Anfang der 80er-Jahre wie viele andere
begleitet hat und auf meinem Nachttisch lag. Denn ich
habe mich gefragt, wie man daraus einen Film machen
und darin seinen Geist spüren kann – was meines Erach-
tens wirklich gelungen ist. Zweiter Andockpunkt bei der
Anfrage war Sherry Hormann als Regisseurin.
In „Anleitung zum Unglücklichsein“ spielen Sie an
der Seite von Johanna Wokalek eine nicht gerade po-
sitive Rolle ...
...nämlich die der toten Mutter, die der Tochter ewig als
schlechtes Gewissen auf dem Rücken hockt.
Wie ist es für Sie, in die Haut von so jemandem zu
schlüpfen?
Wunderbar. Das habe ich ja schon ei-
nige Male gemacht. Das sind Rollen,
in denen du noch ein bisschen defti-
ger sein kannst. Rollen, in denen wir
uns eine Menge trauen konnten.
Dich selber empfindest du übrigens
nicht unangenehm, weil du dir eine
Biografie schaffen und dich fragen
musst: Warum ist jemand so, wie er
ist? Das ist eine schöne Beschäfti-
gung, bei der man sich auch selbst
ganz gut auslotet.
Letztendlich ist aber der Regis-
seur derjenige, der das Sagen hat
und bestimmen kann, wie er Sie
haben will. Ist das kein schwieriger
Grenzgang?
Nein. Man muss sich nur darüber ei-
nig sein, wo man hinwill. Die Vorga-
ben eines Regisseurs geben mir wie
ein Korsett Sicherheit. Natürlich gibt
es auch Situationen, wo Regisseure
einem viele Freiräume lassen, und sa-
gen: „Biete erst mal was an.“ Die Tem-
peraturen sind ganz unterschiedlich.
Was ist Ihnen lieber?
Ich arbeite auf beide Weisen gerne. Es
ist schon gut, wenn man jemandem
sehr vertraut. Oder unbekanntes Ter-
rain betritt und etwas ausprobiert.
„Popularität verleiht dir Macht
im besten Sinne. Sie bedeutet
auch Verantwortung, mit der
man umgehen und für die man
sich entscheiden muss.“
Zeit ist in ihrem Leben Mangel-
ware. Trotzdem hat Iris Berben
von Herbst 2011 bis Spätsommer
2012 viele Stunden mit Christoph
Amend gesprochen. Ausbeute
dieser Treffen sind sechs Inter-
views, die sich 269 Seiten lang über
das Woher und Wohin der Star-
Schauspielerin drehen und auch
das Tagesgeschehen reflektieren
(S. Fischer, 19,99 Euro).
1...,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27 29,30,31,32,33,34,35,36,37,38,...100