Ein Haus mit
Gemeinschaft
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Fotos:
Hannes Mauerer
WOHNEN
Jeder wohnt für sich und ist trotzdem nicht allein –
ein Modell, das sich viele wünschen
W
as für eine Idylle. Das Mehrfamilien-
haus an der Johann-Fichte-Straße 12
in Schwabing ist im Sommer über
und über mit Glyzinien bewachsen,
auf den Balkonen blühen in großen
Töpfen Sonnenblumen, Laubengänge machen ihremNa-
men Ehre. Seit 2001 wohnen hier in 28 Wohnungen Mit-
glieder der Wogeno. Einer jungen Münchner Wohnungs-
baugenossenschaft, der es vor allem auf das soziale
Miteinander ankommt. Darauf, dass sich die Bewohner
für „ihr“ Haus engagieren und sich Alte und Junge ge-
genseitig unterstützen.
Thomas Kremer lebt hier mit seiner Frau und drei Kin-
dern auf 86 Quadratmetern. Er ist Genossenschafter aus
Leidenschaft. Schon als Student wohnte er in WGs. Die
Sehnsucht nach der Gemeinschaft blieb, wenn auch ein
bisschen modifiziert. „Ich wollte in den großen Verbund,
aber ohne das klassische WG-Leben mit einem Bad“,
sagt der 49-Jährige in seiner Wohnung am Esstisch. Ein
Balkon führt in Richtung Ungerer-Bad. Mittlerweile ist
Kremer Vorstandsmitglied der Wogeno, dabei hat er ei-
gentlich katholische Diplomtheologie studiert und als
Programmierer gearbeitet.
Er erzählt, wie das Projekt an der Johann-Fichte-Straße
entstehen konnte. Wie der Club Behinderter und ihrer
Freunde (CBF) ein Grundstück für ein Wohnprojekt ge-
sucht hatte, die Stadt die Fläche an der Johann-Fichte-
Straße anbot und die Wogeno mit ins Boot geholt wurde.
Fast fünf Jahre dauerte die Planung. Viele derjenigen,
die sich damals engagierten, wohnen heute noch hier. 70
Bewohner sind es insgesamt. Zusätzlich zu den 28 Woh-
nungen gibt es zwei Büroräume, ein Atelier und eine
Arztpraxis. Und dann wäre da noch das Gästeapparte-
ment. Jede Wohneinheit steuert pro Monat zwölf Euro
Unterhalt hinzu, wer es nutzt, zahlt noch eine Nutzungs-
gebühr. Das Geld fließt in einen Topf, über dessen Ein-
satz die Hausbewohner in der jährlichen Hausversamm-
lung entscheiden. „Zum Teil wird es zurückgezahlt. Oder
wir nehmen es für Feste her. Oder für einen Kranz, wenn
jemand stirbt.“
Ein Rundgang durch das Haus beginnt auf der prächti-
gen Dachterrasse. „Da haben wir uns in die Planung ein-
gemischt. An anderer Stelle wurde das Gebäude aufge-
stockt, hier sollte Platz für die Terrasse bleiben“, sagt
Kremer. An warmen Tagen sind die 200 Quadratmeter
über den Dächern Münchens ein Treffpunkt für alle. Wir
begegnen auf dem Weg nach unten Dieter Liebig. Der
63-Jährige hat nicht nur die Tischtennisgruppe gegrün-
det, er und seine Frau Ruth (60) engagieren sich imHaus
fast überall. Ruth Liebig betreut die Waschküche. Außer-
dem gehen beide zu jeder Hausversammlung. Liebig war
in den ersten Jahren Haussprecher und kennt deshalb
die inneren Strukturen dieser Wohnanlage gut: „Es gibt
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