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J
a, das klebt wohl an mir, dass
ich immer ‚jemand von‘ bin“,
lacht sie, diese zierliche, fast fragile,
dabei ganz und gar nicht zerbrechli-
che Frau mit den bemerkenswert
blauen Augen. Sie lümmelt sich in
die Ecke des roten Sofas und erzählt
einfach weiter. Nein, nach Schatten-
dasein hört sich das nicht an. Wie
auch? Immerhin sitzt dort Elsie de
Brauw, zweimal als beste holländi-
sche Schauspielerin ausgezeichnet
und in dieser Spielzeit in der Ehe-
geschichte „Gift“, in dem Bezie-
hungsdrama „Angst“ und als „Wassa“
Shelesnowa an den Kammerspielen
vom Münchner Publikum gefeiert,
von der Kritik mit Lorbeeren über-
häuft. Doch so erfrischend unprä-
tentiös wie unkapriziös sie auch
wirken mag –Schauspieler haben
extrem sensible Antennen. Und so
ist sie froh darüber, dass Alvis
Hermanis sie eingeladen hat, die
Wassa zu spielen, „das hatte mit
Johan gar nichts zu tun.“ Denn:
„Natürlich will ich nicht das Gefühl
haben, nur die ‚Frau von’ zu sein.
Das ist kein gutes Gefühl.“
Doch stand sie in München bereits
in verschiedenen Gastspielen auf
der Bühne, als Johan Simons noch
fest am NT Gent war. Und manch-
mal vermisst sie die so selten
gewordene Arbeit mit ihremMann.
Denn: „Ich finde ihn gut, er findet
mich gut.“ So einfach ist das.
Sie hat grünen Tee gekocht, einen
Platz angeboten. Sie selbst habe
noch keinen festen in diesem Haus,
dafür sei eine Woche nach dem
Umzug alles noch zu neu. ImTheater
schon, da sei sie angekommen, und
wie um das Thema abzuschließen
schickt sie hinterher. „Mag er auch
der Boss sein, ich bin die Schauspie-
lerin. So fühle ich mich, und so
werde ich auch behandelt.“
Seit Februar bewohnt Elsie de Brauw
zusammen mit ihremMann ein
Gartenhaus in einem Hinterhof am
Gärtnerplatz – möbliert. Die Einrich-
tung straft jede Biederkeit, die man
mit diesemWort verbindet, Lügen.
Der Rothko hängt am richtigen
Fleck, der Esstisch ist groß genug,
die Küchenschränke haben das
gewisse Retro-Etwas, und die
Terrasse vor der Tür schürt die
Ungeduld auf den Frühling. Ja, mit
diesem Haus fühle sie sich „viel
besser in München“, sagt sie,
„irgendwie umarmt“. Sie hätte – wie
immer – zunächst sehr verhalten
reagiert, als Simons dem Ruf an die
Kammerspiele folgte. Natürlich hätte
sie es niemals verhindert, diesen
Höhepunkt seiner Karriere. „Aber
am Anfang fand ich schwierig, dass
er wegging.“ Dass sie sich jetzt so
wohlfühlt, dafür gibt es auch jenseits
des Theaters und des hochengagier-
ten Publikums verschiedene Gründe
für eine Frau und Mutter von … Es
ist ein neues Leben, das sie führt:
„Johan und ich haben es gemütlich
hier, wir essen – er kocht, ich bin
keine Hausfrau –, wir lesen, sehen
fern, gehen ins Bett.“ Die neue
Romantik also.
Und da ist noch ein Grund, warum
sie froh ist, hier zu sein: In Holland
wäre sie jetzt allein, würde unter
den leeren Zimmern der beiden
Söhne leiden. Der Ältere ist
Musiker, Komponist, und Elsie de
Brauw wird für seinen ersten Auf-
tritt, der gerade mal vier Minuten
dauert, am Tag darauf nach Holland
und wieder zurück fliegen. Der
Jüngere studiert, „er will Minister-
präsident werden.“ Und der sanfte
Stolz, mit dem sie das sagt, zeigt,
dass sie ihm Chancen einräumt: „Ja,
kann schon sein – er will das, seit er
klein ist“, bestätigt sie mit ihrem
Großer Einsatz
mit kleiner Geste
Sie spielt die Schwester von Antigone. Sie ist die Frau
von Intendant Johan Simons. Und sie spielt Wassa,
die Mutter von entsetzlichen Kindern. Elsie de Brauw,
Ensemblemitglied der Münchner Kammerspiele
Foto:
Leonie Poppe