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Seit Herbst fest
im Ensemble der
Münchner
Kammerspiele:
Elsie de Brauw,
51, ist eine der
bekanntesten
Schauspielerin-
nen ihrer
holländischen
Heimat
charmanten holländischen Akzent.
Der, wenn sie von ihren Kindern
spricht, seine Härte verliert, ein
wenig geschmeidiger wird – ganz
Mutter von …
Ihre geradezu euphorische Antwort,
ob es für sie mit ihrer mädchenhaften
Ausstrahlung nicht problematisch
sei, nun schon als Mutter besetzt zu
werden, lässt keinen Zweifel: „Ich
finde Mutterrollen toll. Es ist auch
wichtig, Mutter zu sein“. Und so
stand sie als Mutter von Kindern mit
allerdings eher beklemmender
Zukunft im Februar und März in den
Kammerspielen in Gorkis „Wassa“ auf
der Bühne. So wenig sie mit der in
ihrem engen Korsett gepanzerten
und gefangenen Wassa Shelesnowa
gemein hat, das eine aber doch: Auch
sie ist ein Muttertier. Kein Mutter-
raubtier, wie die raffgierige Wassa
eines ist, die alles tut für das Geschäft
beziehungsweise für die Kinder –
„und die Kinder sind das Geschäft“.
Tatsächlich tut man sich schwer
mit der Vorstellung, wie diese
feinsinnige und feinnervige Frau, die
dabei so natürlich und offen ist, die
immer beherrschte und beherr-
schende bitterkalte Figur der Wassa
so glaubhaft verkörpern kann. Umso
mehr, als die 1960 in Den Haag
geborene Schauspielerin als Meiste-
rin der Darstellung fein ziselierter
weiblicher Psychogramme gilt. Was
ihr eben 2006 als Myrtle Gordon
in „Opening Night“ nach John
Cassavetes die Ernennung zur
besten Schauspielerin Hollands
einbrachte und fünf Jahre später ein
zweites Mal für ihre Rolle in „Gift“
von Lot Vekemans. „Gorki zeigt das
Matriarchat, und es ist wunder-
schön, dass er Anfang des 20.
Jahrhundert eine so starke Frauen-
rolle geschrieben hat.“
Elsie de Brauw ist auch deshalb eine
ideale Besetzung der Wassa, weil sie
als Darstellerin sehr reduziert
agiert. Für den Regisseur Alvis
Hermanis zunächst immer noch zu
viel: „Nicht zu viel zeigen, das
Publikum ist nicht dumm“, hieß es
oft bei den Proben. Bei zehn
Personen auf der Bühne wie bei
„Wassa“, da ginge das, erklärt sie,
„bei ‚Angst‘ jedoch, da sind die
anderen zwar da, aber ich muss
alles in meinem Kopf machen,
alleine.“
Klingt nach beinharter Psychologie,
was sie immerhin studiert hat, bevor
sie in studentischen Theatergruppen
anfing zu spielen, bevor sie ihre
Schauspielausbildung an der Theater-
akademie in Maastricht absolvierte
und bevor sie Mitglied der Theater-
gruppe Hollandia wurde, wo sie
Johan Simons kennenlernte. „Nein
nein, keine Psychologie“, wehrt sie
lachend ab, „ich hab einfach nur ein
großes empathisches Vermögen.“
Das haben viele. Was Elsie de Brauw
so unverwechselbar macht: dass sie
„in den Personen etwas erkennen
kann“, dass sie tief schauen kann.
Am Anfang sei das ein hartes Stück
Arbeit. Satz für Satz lese sie dann,
was da stehe, und ob das wahr sein
könne, was die Figur sagt. So
entstehe das Gebäude. Da ist er
wieder, dieser kleine Widerspruch:
Mag die Frau, die einem da gegen-
übersitzt, auch noch so jung wirken
– Elsie de Brauw überlässt sich und
ihre Rolle nicht einfach dem Regis-
seur von … BARBARA SCHULZ
Foto:
Edith Lauenstein