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Menschen ihre Vorträge hören, wissen, was es auf sich
hat mit dem neuen Trend. Wenn Christa Müller spricht,
dann tut sie das leise. Sie wählt ihre Worte bewusst, for-
muliert sorgfältig, sehr genau. Kein Wort zu viel, keins
zu wenig: „Was hier geboten wird, ist Biounterricht 2.0“.
Ein bisschen Sozialkunde ist auch dabei. Im Garten tref-
fen sich alle: vom Migranten bis zum Akademiker, vom
Selbstständigen bis zum Arbeiter und Arbeitslosen. Be-
gegnungen, die im normalen Alltag eher selten sind. Und
ein Gewinn für alle, meint Christa Müller: „Die sind
nicht unbedingt neugierig aufeinander. Aber wenn sie
dann nebeneinander in der Rabatte stehen, kann das für
beide Seiten eine heilsame Erfahrung sein.“
Ein Grund für „die Rückkehr der Gärten in die Stadt“, so
der Untertitel ihres neuesten Buches, liege auf der Hand:
„Die ökologische und ökonomische Krise hat viele sensi-
bilisiert. Öl ist knapp, Lebensmittel werden teurer. Sel-
bermachen wird ein Thema.“ Gemüsegärten in der Stadt
gab es zwar auch schon früher. Aber heute wächst hier
eine ganz eigene Welt: Sprösslinge im Tetrapack, Toma-
tenpflanzen in Bäckerkisten, Gurken in Reissäcken. „Da-
mit können viele Stadtplaner erst mal gar nix anfangen.
Und auch für Gartenliebhaber wie die deutsche Garten-
baugesellschaft, ist das, was hier entsteht, wie eine Fa-
vela!“ Ein Slum? Christa Müllers Augen blitzen. Diese
neuen Bilder von der Stadt machen ihr Spaß.
Nicht, dass sie eine wäre, die unbedingt provozieren
muss. Neulich war sie im Nachtstudio im ZDF. Diskussi-
on mit Jakob Augstein. Nein, er wolle nicht, dass durch
seinen Garten irgendwelche Leute laufen, geschweige
denn dort Tomaten anbauen. Dazu sagt sie bloß: „Das ist
okay.“ Herr Augstein darf seinen Garten ruhig behalten.
Foto:
Mechthild Klocke