Seite 18 - goliving.de

Basic HTML-Version

18
Foto:
Sascha Kletzsch
LEBEN IN MÜNCHEN
S
ie waren drei Jahre als Tänzer in Mün-
chen, Herr Liska, dann 20 Jahre in
Hamburg. Schließlich kamen Sie als Di-
rektor des Bayerischen Staatsballetts
zurück nach München. Eine Entschei-
dung für die Stelle oder für die Stadt?
Für diese Stadt, denn nicht zuletzt ist sie
Hauptstadt eines Staates, der die Kunst in der Verfassung
hat. Daher ist auch die Unterstützung, die die Kunstinsti-
tutionen hier seit Ludwig I. haben, substanziell und sehr
gut. Damit umzugehen, das ist die Chance für den jewei-
ligen Leiter: der Pinakothek, der Staatsoper oder eben des
Staatsballetts. Die Möglichkeiten sind gut, dasTheater ist
eines der schönsten in Deutschland. Ich selbst bin an ei-
nem Nationaltheater aufgewachsen, dem in Prag, meine
Großeltern waren da beschäftigt. Ich schätze den Begriff
sehr. Insofern war es eine folgerichtige Entscheidung.
Spüren Sie das auch am Publikum?
Die Zuschauer in dieser Stadt sind nicht nur wohlwollend,
sie sind auch aufgeschlossen, neugierig. Sie haben eine
lustvolle Art, Theater zu genießen. Lustvoll in dem Sinn,
dass es ihrTheater ist. Und was wünscht man sich alsThe-
atermacher? Dass es nicht als Anhängsel fungiert! Es mag
Diskussionen verursachen, vielleicht auch Streit, auf alle
Fälle ist es niemandem egal. Das greift vielleicht nicht für
alle Bevölkerungsschichten, aber die Schichten, die zu
uns kommen, ist nicht nur die obere Schicht – es sind ein-
fach Menschen, die das „Nationaltheater“ mögen.
Wie sind Sie zum Ballett gekommen?
Ich habe mit neun Jahren angefangen zu tanzen. Es gab
damals in Prag eine Schülerin von Elisabeth Duncan, der
Schwester von Isadora Duncan – sie hat „neuzeitlichen
Tanz“ und moderne Rhythmik angeboten. Meine Eltern
wollten, dass wir Körpergefühl entwickeln. Ich bin geblie-
ben, meine beiden Schwestern haben es nicht gemocht.
Von dort aus ging ich in die Elevenklasse amNationalthe-
ater, dann ins Konservatorium. Es machte einfach Spaß!
Ich mochte keinen Fußball, konnte nicht Tennis spielen.
Außerdem lag es in der Familie: die Großmutter war Sän-
gerin, der Großvater Konzertmeister. Man ging also im
Theater aus und ein. Als ich dann die Aufnahmeprüfung
am Konservatoriummachte, dachte ich, ach, wahrschein-
lich werde ich Tänzer. Ich hatte damals wie jeder Teenager
viele Interessen, Politik, Geographie – aber methodisch
hab ich dann das gelernt. Selbstverständlich nicht genug.
ImWesten angekommen, musste ich viel dazulernen.
Nicht ganz einfach, neben anderen Jungs?
Ich hatte es leicht, denn mein Vater war der Klassenlehrer.
Wenn mich also auf der Straße jemand gehänselt oder ge-
schlagen hat, dann ging das schnell an die Schule – so ha-
ben sie sich also nicht getraut.
Sie waren immer Tänzer. Fehlt Ihnen die Bühne, oder
war es ein glücklicher Umstand, in dem Moment auf
die organisatorische Seite wechseln zu können, in dem
die Knochen anfingen, müde zu werden
?
Es ist so, wie ich vor 15 Jahren sagte, als ich aufhörte,
täglich als Tänzer zu arbeiten: Meine Satisfaktion als
Künstler, die hab ich auf jeden Fall über viele Jahre hin-
weg gehabt. Es waren viele neue Schöpfungen, viele neue
Choreographien, besonders mit John Neumeier. Wenn
Sie so eine Erfahrung gemacht haben, dann wünschen Sie
sich, dass die andere auch haben sollen. Also geben Sie
ihnen die Möglichkeit, Sie bringen es ihnen bei und Sie
unterstützen sie. Es ist für mich das Schönste, meinen
Als Tänzer
habe ich meine
Erfolge gehabt