Winter/Frühjahr 2013 / 2014 - page 11

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W
enn es um den Kaffee geht, dann
hat sich in Deutschland ein be-
merkenswerter Wandel vollzo-
gen. Die Zeiten des „Tasse oder Kännchen“-
Kaffeekonsums sind längst vergangen. Heu-
te ist Kaffee ein Genussmittel und Lifestyle-
produkt, wird zelebriert oder auch klassisch
mediterran im Vorbeigehen delektiert. Dass
Kaffeebars die Zukunft gehört, das hat ei-
ner erkannt, der in Deutschland wie kaum
ein anderer für Barkultur steht. Die Idee zu
einer Tagesbar mit Kaffee hatte Charles
Schumann schon lange: „Ich habe mir im-
mer vorgestellt, eine Bar zu haben, die tags-
über offen hat. Damals gab es auch nicht so
viele Cafes wie heute.“
Damals, das war vor gut zwölf Jahren, als er
in der Maffeistraße direkt gegenüber demLo-
denfrey und nur einen Steinwurf vomBayeri-
schen Hof entfernt, also in bester Lauflage,
seine Tagesbar eröffnete. Als Schumann mit
der Tagesbar 2001 startete, sollte es sich um
Kaffee und Aperitif drehen, fertig.
Das war eine dezente Unterschätzung, denn
die Gäste wollten mehr. „Wir wurden bald
zumMittagstreffpunkt, womit wir gar nicht
gerechnet hatten. Ohne Essen kann das bei
einer Bar nicht so ohne Weiteres funktio-
nieren“, erinnert sich Schumann. Gar nicht
so einfach – auch wegen der begrenzten
Platzverhältnisse. In dieser Zeit eröffnete
Schumann auch sein neues Stammlokal am
Hofgarten, was dann zusammen eine echte
logistische Herausforderung wurde. Davon
ist heute keine Rede mehr.
Die Tagesbar ist bestens etabliert, was fast
eine Untertreibung ist. Neben Kaffee in un-
terschiedlichen Espresso-, Cappuccino- oder
Affogato-Versionen gibt es ein ziemlich um-
fangreiches Sortiment an Aperitifs, Cock-
tails, Champagner, Whisky und Wodka-
Cocktails sowie Hochprozentigem verschie-
denster Couleur. Beim Essen gilt das Prinzip
„einfach mit hoher Qualität“. Wobei sich die
Einfachheit vor allem auf die Zutaten be-
zieht. „Unsere Küche ist regional mit italie-
nischen und kroatischen Akzenten,“ ergänzt
Flinn Spinney. Der Engländer arbeitet seit
zehn Jahren bei Schumann`s und hat ganz
offensichtlich die Ruhe und Souveränität,
die man braucht, um in einem so kleinen
und stark frequentierten Lokal die Über-
sicht zu behalten. Wenn Charles Schumann
morgens bei einem starken Espresso an ei-
nem kleinen Tisch Platz genommen hat,
bleibt er nicht lange allein. Er unterhält sich
mit Gästen und schaut dabei dennoch, dass
alles läuft. Die quietschende Tür fällt ihm
sofort auf, und es folgt eine kurze Anwei-
sung an seine Mitarbeiter. Für viele Leute
ist die Bar wie ein zweites Wohnzimmer.
„Manche Gäste kommen morgens, mittags
und abends“, sagt Flinn und lächelt.
Auch wenn die Tagesbar noch jung an Jah-
ren ist, wirkt sie wie ein Klassiker, was wohl
auch an dem gediegen puristischen Angebot
liegen dürfte. JedemModetrend nachzulau-
fen, das ist Charles Schumann offensicht-
lich fremd. „Kaffee mit Aromaverstärkern
oder Riesenbecher mit Kaffee und einem
halben Liter Milch als Latte Macchiato, da-
von halte ich nichts“, sagt er, „Latte Macchi-
ato zu verkaufen, das ist der größte Unsinn,
den es gibt.“
Was nicht heißt, dass man nicht ständig auf
der Suche nach Verbesserungen ist. Für
Schumann ist es vor allem eine Frage der
Kultur, weshalb er auch Wert darauf legt,
dass seine Gäste nicht an der Bar, sondern
an einem der Tische essen können, oder
dass der Kaffee grundsätzlich mit frischer
Milch und nicht mit H-Milch zubereitet
wird – interessante Details.
Aber was macht den Erfolg einer Tagesbar
wirklich aus? „Gute Mitarbeiter“, sagt Schu-
mann wie aus der Pistole geschossen, „Du
brauchst einfach gute Leute.“ Deshalb stellt
er auch keine Mitarbeiter ein, die nur einen
Job suchen, sondern solche, die auch eine
Ausbildung mitbringen. Flinn hat das. Er hat
bei Kempinksi am Flughafen gelernt und
lobt seinen Chef in Sachen Personalführung.
„Er lässt uns arbeiten und eigene Ideen ein-
bringen. Dabei ändert das nichts an der
Schumann’s-Linie.“ Ideen holen sich Schu-
mann und seine Leute in den großen Metro-
polen. „Unser Chef ist oft in Paris und Tokio,
und ich selbst schau mich regelmäßig in Lon-
don, Paris und New York um“, sagt Flinn. Da
gibt es wirklich schlechtere und unangeneh-
mere Fortbildungsmaßnahmen. Aber die
wirklich guten Dinge muss man eben sehen
und spüren. Da geht es den Gästen von
Schumann`s Bar nicht anders.
GEORG WEINDL
Ursprünglich sollte es nur Getränke geben. Aber auf Wunsch der
Gäste bietet die Tagesbar heute eine Auswahl an Köstlichkeiten
Fotos: Peter Zangerl
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