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ohnen in München V“ heißt das neue Ins-
trument, mit dem die Stadt den Mangel an
günstigem Wohnraum beheben möchte.
as verbirgt sich hinter diesem Programm?
Dr. ElisabethMerk:
Die Idee ist, dieMitte der Gesellschaft
in der Mitte der Stadt zu halten. Wir haben nur noch 17
Prozent Familien in der Stadt, weil sich die meisten die
Mieten und die Baupreise nicht mehr leisten können.
Mit welchen Mitteln wollen Sie bezahlbaren Wohn-
raum schaffen?
Die Stadt stellt in den nächsten fünf Jahren 800 Millio-
nen Euro bereit, um die Schaffung vonWohnraum zu för-
dern. Dabei werden wir alle unterstützen, die interessan-
te Ansätze haben und dafür sorgen, dass die Strukturen
in den Quartieren erhalten bleiben oder neu entstehen.
An welche Strukturen denken Sie?
In Zukunft werden die städtischen Bauflächenmit Kriteri-
en ausgewiesen und noch stärker als bisher an Konzepte
undWohnumfelder gebunden, indenen sichNachbarschaft
entwickeln kann. Dazu gehört eine soziale Infrastruktur,
generationenübergreifendes Wohnen, eine Mischung aus
sozialem und freifinanziertem Wohnungsbau. Jede geför-
derteWohnungmuss barrierefrei sein. Vor allemdie kleine-
ren Wohngenossenschaften wie Wogeno, wagnis oder
Frauenwohnen haben hier tolle Strategien.
Nun gibt es viele Interessenten, wenn ein großes öf-
fentliches Quartier zur Bebauung freigegeben wird.
Wie können da die Wohngenossenschaften gegen die
großen Bauträger mithalten?
Indemwir zum Beispiel das „Bestgebotsverfahren“ anwen-
den. Neben dem Grundstückspreis gibt es Auflagen, dazu
gehören energetische Konzepte und die Beteiligung an der
Neue Beschlüsse sollen Wohnungen
in der bayerischen Metropole wieder
bezahlbar machen. goliving.de sprach
mit Stadtbaurätin Dr. Elisabeth Merk
sozialen Gestaltung des Quartiers. In Zukunft sollen 20 bis
40 Prozent der jeweiligen Fläche für Baugenossenschaften
und Baugemeinschaften ausgeschrieben werden.
In den alten gewachsenen Quartieren steigen die
Miet- und Bodenpreise ständig, und viele ältere Be-
wohner müssen an den Rand der Stadt ziehen.
Auch das sehen wir mit Sorge, es gibt kaum noch einen
Stadtteil, von dem man sagen kann, er ist nicht teuer.
Wir haben natürlich nur bedingt Einfluss. Zum Beispiel
immer dann, wenn eine größere Fläche bebaut wird und
ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss.
In welcher Form können Sie etwas bewirken?
Durch entsprechende Auflagen. Etwa ein Drittel der Woh-
nungen unterliegen demgefördertenWohnungsbau. Nach
einemSchlüssel wird berechnet, was verändert das Projekt
im Viertel, was brauchen die Bewohner. Kindergärten,
Grünflächen, Bäume, Bänke. Wir verlangen von den Inves-
toren viel und sind die einzige Stadt in Deutschland, die
derartige Auflagen im Stadtrat beschlossen hat. Dazu ge-
hört auch, dass ein Teil der Wertschöpfung, die der Bau-
herr aus dem Projekt zieht, in das Quartier zurückgeführt
werden muss. Das können bis zu 60 Prozent sein.
Gilt das auch für Luxuswohnungen, wie zum Beispiel
am alten Botanischen Garten?
Selbstverständlich, auch Luxusprojekte bringen zusätzli-
che Grünflächen und soziale Einrichtungen. Die Luxus-
wohnungen stören mich wenig, die gibt es in jeder Me-
tropole. Mich beunruhigt, dass normale Wohnungen für
die Mittelschicht zu teuer werden. Deshalb setzen wir
auch in Zukunft auf die Münchner Mischung: frei finan-
zierter Wohnungsbau gekoppelt an die sozialen Modelle.
Das Interview führte Ursula Kronenberger
Ein Platz für
alle Münchner
Foto:
Edward Bayerle