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statt Benzin, immerhin. Wir schnuppern den Duft von
glimmenden Räucherspiralen zur spirituellen Erbauung,
die in alten Tempeln wie dem „Man Mo“ in der Holly-
wood Road hängen, aber auch in überdachten Straßen-
ecken. Dabei sehen wir zwischen höheren Etagen einge-
spannte Ebenen, mit Spielplätzen und Swimmingpools.
Hongkong-Chinesen sind
reich, oder erfinderisch
Natürlich lebt nicht jeder hier feudal. Platz ist Mangelware.
Es gibt etwa hunderttausend „Cage People“, Käfigmen-
schen, die zu mehreren in zwei Kubikmeter großen Räu-
men wohnen. Manchmal warten darin den ganzen Tag
Kinder auf ihre arbeitendenMütter. Nicht jeder verdient in
dieser reichen und sehr teuren Stadt gut. Nicht jeder ist so
findig wie der Architekt Gary Chang, der aus 32 m2 eine
24-Zimmer-Wohnung gemacht hat. Er verschiebt Wände,
um die Bibliothek in eine Küche, das Bad ins Gästezimmer,
den Wohnraum in ein Kino zu verwandeln. In Hongkong
muss man entweder reich oder erfinderisch sein, um rund-
um glücklich zu werden. Vor allem junge Leute stylen sich
fantastisch, auch manche Männer tragen verrückte Kla-
motten, heben optisch fast die Geschlechterunterschiede
auf und verschmelzen doch an Straßenkreuzungen mit
Frauen. Küssend, im Regen. Es regnet oft in Hongkong,
dann spiegeln auch die Straßen die Lichter der Stadt.
Bei Chanel steht manchmal bis Mitternacht eine Schlan-
ge vor dem mit Türstehern bewehrten Eingang. Europä-
ische Frauen, die von einem Chanel-Kostüm träumen,
sparen sich hier die Mehrwertsteuer. Hauptsächlich aber
sind es die Hongkonger selbst und die Festlandchinesen,
die sich ins Shopping-Paradies stürzen, weil es in den
unzähligen Malls und Flagshipstores alles gibt: das beste
Design, die neueste Mode, die fortschrittlichste Technik,
aus Asien, aus Amerika, aus Europa. Wofür soll man sein
Geld sonst ausgeben, wenn nicht für Lifestyle und gutes
Essen, da kaum Platz ist für Villen, große Sitzgruppen
oder Statussymbole wie Yachten.
Die großen Designer haben auch auf der Insel Kowloon
Niederlassungen, vor allem in der Canton Road und in
der Nathan Road. Ansonsten ist Kowloon größer, mo-
derner, hipper als Hongkong Island, dessen Skyline man
noch einmal in Ruhe betrachten kann, wenn man mit
der alten Dschunke durch den Hafen schippert oder mit
der Fähre nach Kowloon übersetzt. Vor dem Bug sieht
man dann bereits „The Peninsula“, eines der legendärs-
ten Hotels der Welt, 1928 gebaut und toll renoviert. Von
Elisabeth Taylor bis Königin Elizabeth II. ließen sie sich
alle mit dem hauseigenen Rolls Royce bei der sogenann-
ten „Grande Dame of the Far East“ an der Salisbury Road
vorfahren. Aber auch gut gekleidete Touristen sind ein-
geladen, im „Spring Moon“-Restaurant herausragend
kantonesisch zu essen oder zwischen den neo-klassizis-
tischen Säulen in der Lobby den „Afternoon Tea“ einzu-
Wer danach die Nathan Road durch den Stadtteil Tsim
Sha Tsui läuft, erfährt schnell, warum Hongkong den
Ruf einer Fake-Hochburg hat. Gefühlt alle paar Zentime-
Die längste Rolltreppe der Welt bringt Besucher
und Einheimische bequem Richtung Peak oder
zum Hafen. Dabei zieht man an jeder Menge
Lädchen, Cafés, Restaurants vorbei