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die MS Finnmarken. Sie ist das größte und feudalste
Mitglied der Hurtigruten-Flotte, mit Dinner-Saal, Pano-
rama-Salon, Schwimm- und Whirlpool an Deck – für die
nächsten sieben Tage mein Zuhause!
D
as erste Hurtigruten-Schiff fuhr bereits 1893
entlang der Westküste Norwegens, verband gro-
ße Hafenstädte wie Trondheim und Hammerfest
auf dem Seeweg. Es dauert einfach zu lange, die vielen
Fjorde auf Straßen zu umfahren und darauf zu warten,
dass Bergpässe für ein paar Wochen schneefrei sind. Da-
mals wie heute bringen die Hurtigruten nicht nur Briefe
von Süd nach Nord oder umgekehrt, sondern auch
Fracht, Passagiere, mit oder ohne Autos. So sehr die MS
Finnmarken nach Kreuzfahrtschiff aussieht, eigentlich
ist es eine Fähre. Man kann auch nur für ein paar Stun-
den mitreisen. Das tun die Norweger oft, gern und güns-
tig, sitzen an Deck und essen mitgebrachte Rentier-Sala-
mi-Sandwiches. Es ist auch möglich, die Reise immer
wieder zu unterbrechen, für einen Besuch der hübschen
Hafenstädtchen, während ab- und aufgeladen wird. Oder
mal an Land zu schlafen. Dann springt man am nächsten
Tag auf ein anderes Hurtigruten-Schiff, die MS Lofoten
zum Beispiel. Die ‚alte Lady’ lief 1964 in Oslo vom Sta-
pel, empfängt noch mit Eisbärfell im Entrée, ist kleiner
und kuscheliger. Dagegen gibt es auf der MS Finnmar-
ken sogar einen Aufzug, der zwischen den acht Decks
hin- und herfährt wie im Luxushotel. Das kommt älteren
Passagieren entgegen.
Einige in Jahrzehnten aufeinander eingestimmte Paare
treffe ich beim Dinner, aber auch Alleinreisende mit
neugierigem Entdeckerblick, die sich an den großen Ti-
schen zusammensetzen. Und junge Honeymooner aus
Asien und Lateinamerika. Offenbar hat sich bis dort her-
umgesprochen, wie imFrühsommer an Bord getafelt wird:
Lachs, Langusten, Kaviar bei einem stundenlangen Son-
nenuntergang. Ich liege noch um Mitternacht an Deck
und beobachte unser Zentralgestirn, wie es den Himmel
rot färbt und doch nicht ganz untergeht, während aber-
tausende kleiner Inselchen vorbeiziehen. Neben mir hat
ein englisches Pärchen zwei Liegestühle bezogen, und wir
gleiten so friedlich dem Feuerball entgegen, dass ich mir
keinen glücklicheren Zustand mehr vorstellen kann.
Die Nacht wird kurz. Wir legen um 7.15 Uhr in Torvik an.
Ein Boot wartet auf ein paar Mitreisende und mich, weil
wir einen Ausflug zur Vogelinsel „Runde“ gebucht haben.
An fast jedem Stopp kann man etwas besichtigen: Städte
und Museen oder einzigartige Natur. Wir steigen in
Schutzanzüge gegen kaltes Wasser und Wind, krachen
auf harten Bootsschläuchen schnell übers Meer. Am bes-
ten federt man die Höhen und Tiefenmit den Oberschen-
keln ab, nicht mit der Wirbelsäule! Auf Runde leben fünf
Millionen Seevögel, kleine Möwen, Kormorane, Lummen
und viele andere Arten. „Haubentaucher!“, jubelt ein
Paar, das seit Jahren versucht, diese rotköpfigen Zugvö-
gel zu sehen. Gut 20 von ihnen planschen um unser Boot
herum. Wir wollen noch zu Seehundkolonien, doch der
Wind weht rau, das macht es nicht einfach, die MS Finn-
marken in Alesund einzuholen.
G
eschafft! Von dem idyllischen Jugendstilstädt-
chen Alesund schippert das Hurtigruten-Schiff
in den Geirangerfjord, den berühmtesten Fjord
Norwegens. Wasserfälle stürzen aus dem Schmelzwas-
ser der Fjells von den Felsen. Sie sind nach einer Sage
benannt: Danach wurden „sieben Schwestern“ zu sieben
Wasserfällen , weil sie den „Freier“ auf der anderen
Fjordseite nicht heiraten wollten.
Sommer-Idylle nahe des
Svartisen-Gletschers
Die MS Finnmarken ist Fähre
und schwimmendes Luxushotel
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