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drei Gruppen von Bewohnern: Die eine en-
gagiert sich regelmäßig. Die zweite ab und
zu. Die dritte hält sich raus.“ Wer sich ein-
bringt, sich kümmert, erhält eine Auf-
wandsentschädigung. „So fühlt sich nie-
mand ausgenutzt“, sagt Kremer. Dieter
Liebig findet es gut, wenn man sich betei-
ligt, aber er verurteilt diejenigen nicht, die
es nicht tun. Er weiß auch, dass so eine Ge-
meinschaft nicht immer problemlos funkti-
onieren kann: „Es gibt auch Zeiten, da ist
man genervt.“ Da wird auch mal geklaut
oder etwas zerstört. „Keiner will das dann
gewesen sein. Aber auch diese Dinge sind normal,
wenn viele Leute miteinander leben“, sagt er.
„Man hat vielleicht die Illusion, das hier die bes-
seren Menschen wohnen. Aber auch bei uns men-
schelt es manchmal heftig.“
Streng genommen gibt es in dem Haus
keine Hausordnung. Nirgendwo hän-
gen Schilder, die zur Ruhe mahnen. An
Pinnwänden bei der Dachterrasse und
im großzügigen Eingangsfoyer hängen
ganz andere Dinge. Nämlich die Termi-
ne für die Yoga-Gruppe, den Literatur-
kurs – und den nächsten Ausflug. Tat-
sächlich gehen die Bewohner aus der
Anfangszeit auch gerne miteinander
auf Reisen oder ins Theater.
Laura Honndorf gehört zu den Altein-
gesessenen. Als kleines Mädchen ist sie
mit ihren Eltern in die Johann-Fichte-
Straße 12 gezogen. Heute mit 18 Jahren erinnert sie
sich gerne daran, dass nach dem Einzug auch die Kinder
helfen durften: „Wir haben das Spielhaus gebaut und die
Wände im Hof gemeinsam angemalt.“ Ihr Bild, eine bay-
erische Idylle mit Bergen und Kirchturm, gibt es heute
noch, und auch ihr Name steht darunter. Früh merkte
das junge Mädchen, dass die Lebensform hier ganz be-
sonders ist. Zuvor wohnte sie mit ihren Eltern in einer
Mietwohnung mit einem strengen Vermieter, der gar
nicht mit ihr gesprochen habe. Im neuen Zuhause in der
Johann-Fichte-Straße „haben alle mit allen geredet, und
man durfte alle duzen“. Für Laura ist schon heute klar:
„Wenn ich mal eine Familie haben sollte, dann würde ich
mir auch so ein Haus wie das hier suchen.“
Eine wichtige Rolle spielt auch die 49-jährige Helga
Brembeck – als Hausmeisterin. Offiziell gibt es diesen
Posten gar nicht, die Altenpflegerin sieht sich deshalb
auch eher als Schnittstelle zwischen den Hausbewoh-
nern und der Wogeno. Sie kümmert sich
umdie Organisation der Handwerker, wenn
sie wirklich nötig sind, denn üblicherweise
erledigt sie alle Reparaturen, „die man sel-
ber machen kann“. Helga Brembeck ist
2001 in die Johann-Fichte-Straße gezogen.
„Anfangs hatte ich Angst, ich könnte mich
nicht zurückziehen“, sagt sie. Das war aber
offenbar unbegründet, denn jeder respek-
tiert die Privatsphäre des anderen. Sie hat
in den Jahren, als ihre Söhne noch klein
waren, die Gemein-
schaft schätzen ge-
lernt. So konnte
sich ihr Jüngster in
dem Anwesen frei
bewegen, weil alle
immer ein bisschen
mit auf ihn ge-
schaut haben. Der-
zeit leben neun
Kinder im Alter von
einem bis neun Jahren hier. Im Hof steht ein
Fuhrpark aus Rädern, Bobbycars und Rol-
lern. Das Zusammenleben zwischen Jung
und Alt funktioniert. Der älteste Hausbe-
wohner ist 85 Jahre alt. Und vor nicht allzu
langer Zeit lebte hier auch noch Oma Emmi,
mit ihren 92 Jahren – solange bis sie richtig
Pflege brauchte. „Die Älteren können hier
länger in ihren Wohnungen bleiben“, davon
ist Helga Brembeck überzeugt. Die Hausge-
meinschaft übernimmt zwar nicht die Pflegearbeit,
„aber man hilft sich gegenseitig.“
Und wenn sich Bewohner mal so richtig in die Quere
kommen? „Wenn es hakt, dann immer auf der persön-
lichen Ebene“, stellt Kremer fest. Meinungsverschie-
denheiten werden ausgiebig diskutiert. Die Wiederher-
stellung des Bolzplatzes nebenan beispielsweise war
schon eine größere Herausforderung für die Hausge-
meinschaft. „Die einen fanden es unerträglich. Die an-
deren haben argumentiert: Der Platz war vor uns da,
wir arrangieren uns“, erinnert sich Kremer. Viele Ver-
sammlungen habe es gegeben zu diesem Thema, „aber
letztlich haben die einen von den anderen gelernt“.
Und wenn es trotz allem mühsam bleibt? „Dafür hat
das Haus drei Ausgänge“, sagt Kremer und lacht. „Wenn
ich die betreffende Stimme auf dem Hausflur höre,
gehe ich eben hinten herum.“
Hanna von Prittwitz
Überzeugter Genossen-
schafter:Thomas Kremer
Organisiert Handwerker:
Helga Brembeck
Engagiert im ganzen Haus:
Ruth und Dieter Liebig
1...,69,70,71,72,73,74,75,76,77,78 80,81,82,83,84,85,86,87,88,89,...100