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Foto:
Julian Baumann
Schloss-Hohenstein-Saga einfangen
konnten, mit der sie bekannt wurde.
Und über die sie später sagen wird:
„Das ist bei mir wie bei Romy Schnei-
der, die über ihre Rolle als Sissi sagte,
sie pappe an ihr wie Grießbrei.“
Natürlich wurde auch zur Kenntnis
genommen, dass sie in deutlich mehr
Filmen als in Schmonzetten mitge-
spielt und international gedreht hat
– in „Camino de Santiago“ 1999 an
der Seite von Charlton Heston, in der
französischen Fernsehserie „Frank
Riva“ 2003 als weibliche Hauptrolle
neben Alain Delon.
Sophie von Kessel, 44, ist eigentlich
Theaterschauspielerin, war von 1997
bis 2001 Ensemblemitglied der
Münchner Kammerspiele, 2008 und
2009 in Salzburg die Buhlschaft und
hat seit 2011 ein festes Engagement
am Residenztheater. Sie spielt mit
entwaffnendem Charme, warmherzi-
ger Erotik und oft feinsinniger Ironie
– immer ein wenig sophisticated, auf
sehr sympathische Weise. Auch in
TV-Produktionen, in denen sie fast
ausschließlich zu sehen war, als sie
zwischen den Engagements frei
arbeitete, wegen ihrer beiden Kinder,
die sie zusammen mit dem Schau-
spieler Stefan Hunstein hat.
Und so ist sie bis heute ihrem Lehrer
vomMax-Reinhardt-Seminar dank-
bar dafür, dass er sie damals überre-
dete, die Rolle in „Schloss Hohenstein“
anzunehmen. So konnte sie neben
ihrem Erst-Engagement in Aachen
gut bezahlt lernen, vor der Kamera
zu arbeiten. Denn sie empfindet es
als Bereicherung, zweigleisig zu
fahren. Das Publikum gibt ihr recht.
1999 erhielt sie den Förderpreis des
Freistaates Bayern für junge Künst-
ler. Damit wusste sie, dass die
Münchner sie angenommen hatten.
Angekommen fühlte sie sich aller-
dings damals noch nicht. „Das mag
mit meiner Diplomaten-Biografie zu
tun haben – immer nur drei Jahre an
einem Ort. Ich kannte das Gefühl
nicht, irgendwo so selbstbewusst auf-
zutreten: Das hier ist meine Stadt.“
Geboren ist Sophie von Kessel in
Mexiko-City, ihre Jugend verbrachte
sie in Lateinamerika, Finnland,
Österreich, Deutschland und den
USA. Die Idee zur Schauspielerei kam
aus der Schule: „Theater-AG, Auffüh-
rungen, Modenschauen – ich war
überall dabei, was Happening war.“
Aber sie hätte diesen Beruf nicht auf
Teufel komm raus gemacht, dafür gab
es genug andere Interessen. Medizin
zum Beispiel. „Ich brauchte erst
einmal diesen Push, dass jemand sagt,
da ist was, und das lohnt sich auszu-
bilden.“ Das renommierte Max-Rein-
hardt-Seminar inWien gab ihr diesen
Schub. Sie kannte Wien bereits aus
dem klassischen Dreijahres-Diploma-
tenturnus und liebte die Stadt. Aber
erst während ihrer einjährigen
Ausbildung an der Juilliard School in
New York wurde ihr bewusst, dass es
an ihr etwas gibt, das europäisch ist:
„Letztlich ist die Sprache, in der du
aufgewachsen, in der du geboren bist,
eine ganz große Qualität und ein Reiz
in diesem Beruf. Wenn das wegfällt,
bleibt relativ wenig übrig. Weil man
überhaupt nicht mit demWort
spielen kann.“
Und so spielt sie in München, das sie
inzwischen liebt, weil sie die Stadt
gut kennt, weil sie sicher ist und
großzügig, weil sie viel Grün hat und
natürlich eine tolle Lage vor Italien.
Sie spielt hier weiter, nach großem
Erfolg in Yasmina Rezas „Drei Mal
Leben“ oder in Jan Bosses „Tasso“,
mit Worten und mit Rollen. Dabei
möchte sie sich ungern auf Rollen
festlegen lassen: „Für mich kann
immer jeder Schauspieler alles
spielen. Jeder! Es ist aber nicht so.
Und die Leute, die Stücke dann
kreativ denken, ob Caster oder Regis-
seur, die haben eine Vision, wollen
etwas Bestimmtes erzählen, was nur
ein ganz bestimmter Typ liefern
kann.“ Das respektiert sie, denn
natürlich seien manche Filme wie
jüngst „Liebe“ von Michael Haneke
das beste Beispiel dafür, wie ent-
scheidend Besetzung sein kann.
Patrick Steinwidder etwa wollte für
seine Inszenierung von Schnitzlers
„Reigen“ unbedingt Sophie von Kes-
sel. Als erster deutschsprachiger
Regiestudent an der Royal Academy
of Dramatic Art in London insze-
nierte er das Stück für sein Abschluss-
diplom – er bringt es jetzt in denMar-
stall. Steinwidder wollte die Schau-
spielerin gleich in vier Rollen, unter
der unerbittlichen Überschrift: „Es
gibt keinen Sex mehr aus Liebe, son-
dern Sex bedeutet Macht und
Gewalt.“ Sie ist schamlose Prostitu-
ierte, naives Hausmädchen, untreue
Ehefrau, exzentrische Schauspiele-
rin. Also kann sie doch alles spielen?
„Es ist die Idee der Inszenierung:
Dass wir alle diese Seiten in uns
haben, im Alltag und im Privatleben
aber nur bestimmte Seiten zulassen.
Es gibt weder eine komplett andere
Maske, noch ein komplett anderes
Kostüm. Ich wechsle zwischen den
Rollen nur die Bluse und bin eindeu-
tig dieselbe Person, die da spielt. Es
ist eine große, komplexe Frauen-
figur.“ An der sie sich leer spielen
kann. Eine Rolle wie die der Studen-
tin Christine, die sie einst in „Schloss
Hohenstein“ spielte, ist nicht dabei.
Diesen Reigen hat Sophie von
Kessel längst unterbrochen.
BARBARA SCHULZ
„Eine Rolle, das bist immer du. Und du
musst immer alles aus dir rauskramen.“
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